Sticken ist sexy. Das wird zumindest in Henrik Ibsens Theaterstück Nora behauptet. In jedem Falle ist die Stickerei eine künstlerische Technik, die zur Verzierung von Textilien oder auch als eigenständige Kunstform eine lange Tradition in unterschiedlichen Kulturen besitzt. Doch woher stammt diese Technik überhaupt?
Aus dem Kloster in die Heißmangel
Wie so viele Kunstformen, nimmt die Stickerei ihren Ursprung in Asien. China, Indien und Ägypten könnten als Wiegen des Stickens gelten, und natürlich bedienten sich sowohl die Griechen als auch die Römer bei dieser Art des Kunsthandwerks. Wie so häufig durchlief eine Kunstform einen Weg durch unterschiedlichste traditionsreiche Kulturen, ehe man ihre Ankunft in Mitteleuropa verkünden konnte. Naturgemäß blieb diese Kunstform zunächst den Geistlichen in den Klöstern vorbehalten, ehe sie ab dem 14. Jahrhundert auch der weltlichen Kultur zugänglich wurde. Ihre Techniken wurden zunehmend weiterentwickelt, so dass sich heutzutage eine weitgefächerte Palette der Sticktechniken ausmachen lässt. Ob komplizierte Stickerei oder einfache Monogramme, wie sie um die Jahrhundertwende zwischen dem 19. und dem 20. Jahrhundert in Mode kamen, um die Wäsche beim Heißmangeln nicht zu verwechseln, der Anwendungen Vielfalt ist groß.
Tennisstars und bestickte Taschentücher
Ist bei Ibsen die Tätigkeit des Stickens ein Symbol der Unterdrückung der Frau, die bestimmte Rollenbilder zu erfüllen hat, wird das Sticken heutzutage häufig maschinell durchgeführt. Man denke hierzu nur an die zahlreichen Firmenlogos, die sich auf Textilien so wunderbar vom eigentlichen Kleidungsstück abheben. Lustiger Weise sind es zwei Tennisspieler, die in ihrer jeweiligen zweiten Karriere mit gestickten Logos Furore machten: das legendäre Krokodil prangte bereits auf René Lacostes Brust, ehe das von ihm erfundene Polohemd in Massenproduktion ging und schließlich in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts zum Ausdruck von Erfolg und zu leger-sportlicher Verheißung einer gehobenen Freizeit wurde, während sich Fred Perrys Lorbeerkranz gerade in diesen Tagen größter Beliebtheit erfolgt und in Britannien schon lange ein Klassiker der Mods ist.
Aber auch das handgestickte Monogramm macht heute etwas her und ist stylisher Ausdruck von Individualität: die Wiederholung des eigenen Namens vermittels einer einzigartigen gestickten Unterschrift; selbst ein besticktes Stofftaschentuch wird so zum Unikat, zum unerreichbaren Objekt der Begierde, das nur im Zusammenhang mit dem Träger oder der Trägerin Sinn macht. Allenfalls als von Melancholie und Tränen durchtränktes Souvenir könnte es noch eine Funktion für einen Zweitbesitzer haben. Das handgestickte Monogramm ist gar ein Statement gegen kapitalistische Verwertungslogik: wer sich die Zeit nimmt, etwas selbst zu machen, widmet sich einer Sache um ihrer selbst willen. Es kann aber auch eine Frage von Stil und Können sein, ob man per Hand stickt oder Besticktes kauft oder fertigen lässt. Denn nicht jeder hat die Zeit oder die handwerkliche Fertigkeit, es sich leisten zu können, alles zu sticken, was er möchte. Eines ist jedoch sicher: das Stickhandwerk ist eine Ausdrucksform, die noch längst nicht am Ende ihrer Attraktivität angelangt ist.